Christian Bormann

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Skizzierung eines möglichen Dissertationsvorhabens mit dem Arbeitstitel

Paul Kuhlo – Kommandeur des Ostasiatischen Marine-Detachements und japanischer Kriegsgefangener

 

Im Zusammenhang mit imperialistischen Bestrebungen und der Kolonialpolitik des Deutschen Kaiserreichs im 19. Jh. ist die Geschichte der sog. „Musterkolonie Kiautschoug ein Beispiel für den Versuch, sich einen „Platz an der Sonneg auf dem chinesischen Festland zu sichern. Der Wunsch nach einem Stützpunkt, Handelsplatz und sicheren Anlaufhafen für deutsche Kriegsschiffe im Fernen Osten wurde mit der Landung des Kreuzergeschwaders unter Führung des Admirals von Diederichs in der Bucht von Kiautschou in der chinesischen Provinz Shantung am 14. November 1897 verwirklicht. Während des Angriffs japanischer und britischer Truppen im September 1914 spielte vor allem das Ostasiatische Marine-Detachement (OMD), eine militärische (Elite-)Einheit des Deutschen Kaiserreichs, dessen Ursprung im Ostasiatischen Expeditionskorps lag, eine wichtige Rolle. Das OMD unter dem Kommando von Oberstleutnant Paul Kuhlo (1866-1943) sollte in den Kämpfen im Vorgelände den japanischen Truppenaufmarsch stören und so lange wie möglich aufhalten. Mit der Kapitulation der Deutschen Kolonie im November 1914 ging Kuhlo in die japanische Kriegsgefangenschaft. Seine Erlebnisse als Kommandeur des OMD und die Erinnerungen an die anschließende fünfjährige Gefangenschaft in Japan hielt er in einem bisher unveröffentlichten Bericht mit dem Titel Kurze Beschreibung der Tätigkeit des Ostasiatischen Marine-Detachements während der Belagerung von Tsingtau 1914 fest, den er ab ca. 1917 in japanischer Kriegsgefangenschaft begann und der auf seinen Tagebüchern beruht. Anders als der Titel vermuten lässt, beinhaltet der Bericht aber nicht nur einen präzisen Überblick über Kuhlos Zeit als Kommandeur in Tsingtau, sondern auch eine ausführliche Darstellung der anschließenden Kriegsgefangenschaft in den Lagern Honganji in Tôkyô-Asakusa und Narashino.

Anhand dieser Aufzeichnungen sollen in vorliegendem Projekt die Rolle des OMD in Tsingtau vor dem Hintergrund des zu erwartenden Angriffs durch japanische und britische Truppen im September 1914 und in den darauf folgenden militärischen Auseinandersetzungen und die anschließende Kriegsgefangenschaft der Truppenangehörigen des OMD in Japan dargestellt werden. Somit ermöglicht Kuhlos Bericht eine Auseinandersetzung mit dem OMD bezüglich zweier unterschiedlicher, aber zusammenhängender Themenkomplexe, da er zum einen der Einschätzung der militärischen Lage Tsingtaus und der Frage nach den Verteidigungsmöglichkeiten und der Rolle des OMD darin nachgeht, und zum anderen das Alltagsleben in den Kriegsgefangenenlagern Honganji und Narashino und die Behandlung der Gefangenen durch die japanische Lagerleitung schildert. Das Bild des OMD in der japanischen Öffentlichkeit nach der deutschen Kapitulation und während der anschließenden japanischen Kriegsgefangenschaft soll ebenso in die Überlegungen einbezogen werden.

Das OMD wurde in der Forschung bisher kaum betrachtet und vorwiegend in älteren Werken im Zusammenhang mit dem III. Seebataillon[1] erwähnt, dem es von 1909 bis 1912 angegliedert war. Zur Geschichte der Kriegsgefangenen gibt es einige umfassende Darstellungen,[2] jedoch legen viele ihren Schwerpunkt auf das in der neueren Forschung als „Wiege der 9. Symphonie Beethovensg[3] bekannte Lager Bandô, das u.a. auch Gegenstand eines Films ist[4] und allgemein als „Musterlagerg deutscher Kriegsgefangener in Japan bezeichnet wird. Kuhlos Bericht, in dem er detailliert auf die Wohnverhältnisse, die Lebensbedingungen, die körperliche Verfassung und medizinische Versorgung der Gefangenen, die Verpflegungssituation sowie die Stimmung in den Lagern Honganji und Narashino eingeht, zeichnet ein differenziertes Bild auch dieser Lager.

Die Quellenlage zum OMD in den Archiven[5] ist als lückenhaft zu bezeichnen; viele Unterlagen wie Mobilmachungspläne, Berichte über die Belagerung und den Fall der Festung Tsingtau (darunter überwiegend Kriegstagebücher, Berichte und Zeitungsartikel), Unterlagen zum Einsatz von Marineverbänden in Ostasien und in den deutschen Kolonien sind heute nur fragmentarisch erhalten oder überdauerten den Zweiten Weltkrieg nicht. Ein Dokumentenkonvolut aus dem Nachlass Paul Kuhlos, welches neben o.g. Bericht auch Urkunden, Zeugnisse, Beurteilungsschreiben und zahlreiche Briefe und Postkarten enthält, die Kuhlo u.a. von v. Kessinger[6], v. Wilucki[7] und Saxer[8] erhalten hat, ist für die vorliegende Arbeit ebenfalls von großem Interesse. Das bisher noch nicht bearbeitete Material erlaubt eine differenzierte Betrachtung der Ereignisse in Tsingtau und der Rolle des OMD sowie der Kriegsgefangenenlager Honganji und Narashino aus der Perspektive eines hohen Kommandoträgers und späteren Lagerältesten, der durch seine Position Einblicke hatte, die anderen Zeitgenossen verwehrt blieben. Eine kritische, kontextbezogene Aufarbeitung des Nachlasses Paul Kuhlos erscheint somit für die historische Japanforschung von großem Interesse.    

 

 

 

 

Auswahlliteratur:

ASSMANN, Kurt (1935): „Die Kämpfe der Kaiserlichen Marine in den deutschen Kolonien. Erster Teil. Tsingtau. Zweiter Teil: Deutsch-Ostafrikag, in: MARINE-ARCHIV (Hrsg.): Der Krieg zur See 1914-1918. Berlin: E.S. Mittler & Sohn.

 

AUSZUG AUS DEM TAGEBLATT FÜR NORD-CHINA TIENTSIN.  ZUSAMMENGESTELLT FÜR DIE DEUTSCHEN KRIEGSGEFANGENEN IN JAPAN. Verschiedene Jahrgänge.

 

BRIGADEZEITUNG. WOCHENBLATT FÜR DIE ANGEHÖRIGEN DER OSTASIATISCHEN BESATZUNG-BRIGADE. Verschiedene Jahrgänge.

 

BURDICK, Charles und Ursula MOESSNER (1984): The German prisoners-of-war in Japan, 1914-1920. Lanham, New York, London: University Press of America.

 

DETACHEMENTS=ZEITUNG. WOCHENBLATT FÜR DIE ANGEHÖRIGEN DER OSTASIATISCHEN BESATZUNG-BRIGADE. Verschiedene Jahrgänge.

 

HIRSCHFELD, Mattias (2005): Beethoven in Japan. Zur Einführung und Verbreitung westlicher Musik in der japanischen Gesellschaft. Hamburg: von Bockel Verlag.

 

HUGUENIN, C. (1912): Geschichte des III. See-Bataillons. Tsingtau: Adolf Haupt.

 

KLEIN, Ulrike (1993): Deutsche Kriegsgefangene in japanischem Gewahrsam 1914-1920: ein Sonderfall. Diss. Universität Freiburg.

 

KREBS, Gerhard (1999): Die etwas andere Kriegsgefangenschaft. Die Kämpfer von Tsingtau in japanischen Lagern 1914-1920. Köln: Böhlau-Verlag.

 

KUHLO, Paul (o.J.): Kurze Beschreibung der Tätigkeit des Ostasiatischen Marine-Detachements während der Belagerung von Tsingtau 1914. Unveröffentlichter Bericht.

 

NARASHINO ICHI SHI KYÔIKUIINKAI (2001): Doitsu heishi no mita nippon- narashino furyoshûyôjo 1915-1920. [Japan aus der Sicht deutscher Soldaten- das Kriegsgefangenenlager Narashino 1915-1920]. Maruzen: Tôkyô.

 

TSINGTAUER NEUESTE NACHRICHTEN. Verschiedene Jahrgänge.

 

TÔKYÔ ASAHI. Verschiedene Jahrgänge.

 

TÔKYÔ NICHINICHI. Verschiedene Jahrgänge.

 

WOCHENBLATT FÜR DIE ANGEHÖRIGEN DER OSTASIATISCHEN BESATZUNGSBRIGADE. Verschiedene Jahrgänge.

 

Verschiedene Korrespondenzen (Briefe und Postkarten) von Kuhlo zwischen 1904 und 1943.



[1] Z.B. HUGUENIN, C. (1912): Geschichte des III. See-Bataillons. Tsingtau: Adolf Haupt bzw. ASSMANN, Kurt (1935): „Die Kämpfe der Kaiserlichen Marine in den deutschen Kolonien. Erster Teil. Tsingtau. Zweiter Teil: Deutsch-Ostafrikag, in: MARINE-ARCHIV (Hrsg.): Der Krieg zur See 1914-1918. Berlin: E.S. Mittler & Sohn.

[2] Z.B. BURDICK, Charles und Ursula MOESSNER (1984): The German prisoners-of-war in Japan, 1914-1920. Lanham, New York, London: University Press of America; KLEIN, Ulrike (1993): Deutsche Kriegsgefangene in japanischem Gewahrsam 1914-1920: ein Sonderfall. Diss. Universität Freiburg.

[3] HIRSCHFELD, Mattias (2005): Beethoven in Japan. Zur Einführung und Verbreitung westlicher Musik in der japanischen Gesellschaft. Hamburg: von Bockel Verlag.

[4] Baruto no gakuen [Ode an die Freude] 2006 von Masanobu Deme.

[5] Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin, Bundesarchiv Freiburg

[6] Friedrich von Kessinger (1866-1946), Kommandeur der Landfront

[7] Günther von Wilucki (1883-1950), Adjutant Kuhlos

[8] Ludwig Saxer (1869-1957), Admiral und Chef des Stabes beim Gouvernement Kiautschou